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Geschichte der Schulmitwirkung in NRW

von Frami Baumann

Über Generationen sahen die Juristen die Schule als einen Raum, in dem der Staat die Schul„hoheit“, ein besonderes „Gewaltverhältnis“ über die Untergebenen, also vor allem die Schülerinnen und Schüler, ausübt. Mitbestimmung gab es nicht, gehorchen war angesagt. „Schüler waren den Insassen von Strafvollzugsanstalten insoweit rechtlich gleichgeordnet. Ein Wandel erfolgte zunächst in der Rechtsprechung zugunsten der Strafgefangenen.“

Erst als es Ende der 60er Jahre auf Bundes- und Landesebene zu sozialliberalen Regierungen gekommen war, die unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ einige Erstarrungen über Bord warfen, und als gleichzeitig der Druck der SchülerInnenbewegung auf die Regierungen zunahm, kam der Gedanke auf, auch Schülerinnen und Schülern Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen, wobei manche Juristen schon eine Durchbrechung des Prinzips der westlichen, parlamentarischen Demokratie zugunsten eines Sowjetsystems befürchteten, wenn die Betroffenen Mitspracherechte erhielten.

Die Eltern an Entscheidungen zu beteiligen, da kam man sowieso nicht dran vorbei, denn den Eltern sind umfassende Rechte über die Erziehung ihrer Kinder im Grundgesetz und in der Landesverfassung garantiert. Der Schulmitwirkungserlaß von 1968/69 institutionalisierte erstmals eine SchülerInnenvertretung, die z.B. durch das Teilnahmerecht an LehrerInnenkonferenzen und das Stimmrecht in Fachkonferenzen weitergehende Rechte hatte als heute. In den schulpolitischen Auseinandersetzungen der Folgejahre konnten zum Teil zusätzliche Rechte erkämpft werden, andererseits kam es recht häufig zu Repressalien gegenüber aktiven SchülerInnen.

Ein Entwurf zu einem Schulmitwirkungsgesetz von Kultusminister Girgensohn von 1971 sah sogar das politische Mandat, sehr umfangreiche Mitwirkungsrechte und günstige Mehrheitsverhältnisse in den Gremien vor, auch wenn er nicht so weit ging, wirkliche Parität in den Gremien zu fordern. Leider ist dieser Entwurf nie Gesetz geworden. Als am 13.12.1977 das Schulmitwirkungsgesetz verabschiedet wurde, war der Reformeifer der Anfangsjahre bei der SPD bereits weitgehend im Sande verlaufen, die SchülerInnenbewegung hatte erheblich an Kraft verloren und im Zuge der allgemeinen Terroristenpanik hatten konservative Juristen Hochkonjunktur. Dies zeigt, vor welchem geistigen Hintergrund das Schulmitwirkungsgesetz verabschiedet wurde, kein Wunder, daß die Mitbestimmungsmöglichkeiten so dürftig ausfallen und einen deutlichen Rückschritt gegenüber den früheren Regelungen darstellen. Grund für die Einräumung von Mitsprachemöglichkeiten war mittlerweile weniger, daß man Schülerinnen und Schüler als Persönlichkeiten mit eigenen Ideen, Interessen und Rechten erkannt hatte, vielmehr erhoffte man sich bei Beteiligung aller Betroffenen eine „Verbesserung der Entscheidungsqualität“ und mehr Zustimmung und „bereitwillige Hinnahme“ von Einzelentscheidungen.

Der Gedanke, daß in der Schule die Staatshoheit den Betroffenen gegenübertritt, erlebte seine Renaissance. Ein Verständnis, das unverkennbar noch aus vordemokratischen Zeiten stammt. Es schien klar, daß Lehrerinnen und Lehrer als VertreterInnen des Staates in allen Gremien mindestens die Hälfte der Stimmen haben mußten. Auch wurde die Position des Schulleiters gestärkt und alle Sitzungen wurden nicht öffentlich, um unliebsame Demonstrationen gleich im Voraus auszuschließen. Im SV-Erlaß von 1979, der auch heute noch die wichtigste Arbeitsgrundlage für SVen darstellt, wurde den SVen der Maulkorb verpaßt, sich nur noch zu Vorgängen an der eigenen Schule äußern zu dürfen, also nicht einmal zur landesweiten Schulpolitik (!) — von einem allgemeinpolitischen Mandat ganz zu schweigen. Die SVen sollten „unparteilich“ arbeiten, was in der Folge häufig Anlaß zu Konflikten mit Schulleitungen wurde: Wie soll man auch Interessen von SchülerInnen vertreten, ohne Partei zu ergreifen?

Man sieht: die Schulmitwirkung bedarf dringend einer Reform — hin zur Schulmitbestimmung. Ein entsprechender Gesetzentwurf, den die LSV mit dem Bündnis demokratische Schule erarbeitet hat, wurde in der letzten Legislaturperiode über die Grünen in den Landtag gebracht. Mittlerweile scheint auch die SPD zu sehen, daß die gegenwärtigen Regelungen einem demokratischen Staat nicht entsprechen, so daß auch von dieser Seite her Neuregelungen geplant werden.


Wir sollten nicht nur gespannt abwarten, was sich daraus ergibt, sondern uns mit unseren Vorstellungen in die Diskussionen einbringen — und das unüberhörbar.